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Deutsche Nachrichten 1946 Nr 42

 vom 11. November 1946

Deutsche Nachrichten 1946 nr 42 

 fra 11. november 1946

 
 Wochenschwatz von Jochen Spatz #1. 
Luther und die Obrigkeit II von Hauptpastor W. Görnandt. #14
Was ich in Danzig sah 1) af Liesa Schley und Christel Pokriefka, Aalborg -- Ost Lager II. #22
2) af Georg Drossel, Aalborg. #27. Svar: #29.
Briefe an Ilse wegen Kahlbude. Elisabeth Selke, Aalborg. #36
Über Preussen und Preussengeist. von Günther Thomas, #40. Antwort: #54
  • Ugens passiar. 
  • Luther og øvrigheden II.
  • Hvad jeg så i Danzig
  • Brev til Ilse om Kahlbude

  • Om Prøjsen og prøjserånden. 
     1 Wochenschwatz von Jochen Spatz
           Liebe Landsleute! Was bringt die Zeitung? Immer das gleiche, nicht wahr? Bevin redet, Byrnes redet, Molotow redet ... Attlee hat gesagt, Stalen hat gesagt, Truman hat gesagt ... 
          Sie reden und reden. Man zuckt die Achseln. Was kommt schon dabei heraus? 
           Gemach, liebe Freunde. Lasst uns vorsichtig sein mit den Achselzucken. An den Entscheidungen der Staatsmänner hängt das Schicksal von 2000 Millionen Erdbewohnern, das Schicksal der ganzen Menschheit, von der die Mehrzahl seit Jahren gelitten hat und noch immer leidet.
    3       Das kümmert uns nicht? Wir leiden am meisten? Nun wohl. Wir leiden -- vielleicht nicht am meisten, wenn ich an China und an die Judenheit denke -- doch zugegeben: Wir Deutschen leiden schwer. 
          Und doch gibt es keinen Weg für uns, als sich in Geduld zu fassen. Bei der Grösse der Aufgabe, die von den Leitern der Siegerstaaten zu leisten ist, kommt es vor allem darauf an, dass Klarheit geschaffen wird, dass man sich gründlich ausspricht, ehe man zu Beschlüssen kommt.
    4       Das hat seine Schwierigkeiten. Wir müssen gerecht sein. Die Bitterkeit der Beteiligten ist gross. Man hat in den Jahren vor dem Kriege gegen den Totalismus zuviel hinunterschlucken müssen -- um des lieben Friedens willen. Alle Staaten haben mit den Usurpatoren der totalitären Mächte verhandelt, haben Verträge mit ihnen geschlossen, haben sich vor Hitler und seine gleichen gedemütigt -- zwecklos gedemütigt, wie sich zeigte. 
    5      Wer diese Tatsache leicht nimmt, der man an den Überfall Japans auf China denken, der zu einer Zeit erfolgte, als beide Völker noch gleichberechtigt im Völkerbund sassen. Zähneknirschend oder auch händereihend, je nach ihrer geistige Einstellung, haben die Mitglieder des machtlosen Völkerbundes diesen Rechtsbruch geschehen lassen. Schritt für Schritt sind die Staaten vor den Friedensstörern zurückgewichen. Denkt an den Mord, den das faschistische Italien an Abessinien verübte, vor dem gleichen Forum, auf offener Bühne.
    6       Den widerrechtlichen Einmarsch ins Rheinland, die Einführung der Wehrpflicht in Deutschland, die Besetzung Österreichs, alles haben die Völkerbundsmächte wider bessere Einsicht schlucken müssen.
    7         Und dann die Verträge: Zehnjähriger Nichtangriffspakt Polen-Deutschland. Das Münchener Abkommen, bei dem die Tschechoslowakei so schmählich unter den rasenden Schlitten des Führers kam, der "Freundschaftspakt" Russland-Deutschland, der "Nichtangriffspakt", den Ribbentrop im Namen des Führers dem wehrlosen dänischen Volke aufdrängte -- alles waren vom Totalismus erzwungene Abmachungen, bei denen keiner der jeweiligen Partner sich auch nur eine Minute lang wohlgefühlt hat, und die doch jeder hinnehmen musste, um seine Haut solange wie möglich zu retten. 
    8       Solange wie möglich. Alle Völker wussten, jeder Vertrag war nur eine Galgenfrist. Und doch mussten jedes tun als ob. So etwas tut weh und hängt lange nach. 
          Den plötzlich war alle Vorsicht, waren alle Demütigungen vergeblich. Aller Ausweichpolitik zum Trotz wurde die Welt von den totalitären Kräften in das Unglück des Krieges gestürzt, den sie um jeden Preis hatte vermeiden wollen.
    9       Kann es da Wunder nehmen, dass sich die Völker betrogen fühlen? Ihr Reichtum ist hin, ihre Länder sind grossenteils zerstört. Nicht nur die Angreifer sind am Kriege elend und arm geworden. Wer will es den Angegriffenen und Überfallenen verübeln, dass sie sich in Zukunft vor ähnlichen Dingen sichern wollen, soweit das nur menschenmöglich ist.
    10      So wird das viele Reden verständlich und offenbart seinen tiefen Sinn. Es hat aber noch einen andern Grund. Kriege sind teuer. Der letzte ist es so unvorstellbar, dass allen das grosse Grausen kommt, wenn sie daran denken, wie viele Mühe und Arbeit nötig sein wird, ihn zu bezahlen. Ist es da so schwer zu begreifen, dass jedes Volk bemüht ist, so billig wir möglich davonzukommen.
    11       Was wollen die Vertreter der Staaten tun? Sie lieben ihr Land und ihr Volk, so wie wir Deutschen unser Land und unser Volk lieben. Ihnen ist das Los geworden, für die Besiegten mit zu handeln. Und trotzdem müssen sie an ihre eigenen Auftraggeber, an ihre Wähler denken, sonst werden sie gestürzt und davongejagt. 
          Hört nur genau hin, liebe Landsleute, dann hört ihr die Sorgen der andern. Und ihr hört, wie sich im Laufe der Zeit die Vernunft immer lauter Gehör schafft.
    12      In der Aussprache zwischen den Völkern, die so offen geführt wird wie niemals zuvor, wird schliesslich das goldene Mittelmass erarbeitet werden, das Siegern und Besiegten erträgliche Daseinsbedingungen schafft. Auch die Bitterkeit wird sich beim Reden verflüchtigen. Man wird voneinander lernen, dass alle Völker der Erde zusammengehören.
    13       Darum lasst uns den Reden der Staatsmänner lauschen. Solange man redet, schlägt man sich nicht. Das Schweigen und das Befehlen ist die tückische Waffe der Finsterlinge und Usurpatoren. Das Rede, Verhandeln und Beraten ist das tugendhafte Mittel freier Völker, zum Ausgleich, zur Vereinbarung, zur Gerechtigkeit zu kommen.
    Wenn's glückt, zeigt uns die Weltgeschichte
    Im Inhalt eines neuen Blatts
    des Friedens freundliche Gesichte.
    In diesem Sinne Jochen Spatz.
    14 Kirche und Volk: Luther und die Obrigkeit II (I, se (46-40#18))
    von Hauptpastor W. Görnandt. 
           Nachdem wir neulich durch eine Darstellung von Luthers Haltung während der Bauernrevolution von 1525 des Reformators praktisches Verhalten gegenüber Volk und Obrigkeit skizziert haben, müssen wir heute, um das Bild vollständig zu machen, noch einige Bemerkungen über seine grundsätzliche Einstellung zu diesen "politischen" Problemen hinzufügen. Luther war kein Träumer, sondern ein Wirklichkeitsmensch. Daher wusste er, dass unsre Erde von Menschen bewohnt wird und nicht von Engeln oder Heiligen: sündige Menschen aber können nicht mit dem Evangelium regiert werden, sondern mit dem Gesetz, d. h. mit Lohn und Strafe! 
    Kirke og folk: Luther og øvrigheden II af sognepræst W. Görnandt.
          Efter at vi sidst gennem en fremstilling af Luthers holdning under bonderevolutionen i 1525 har skitseret reformatorens praktiske forhold til folk og øvrighed, må vi her, for at gøre billedet fuldstændigt, tilføje endnu nogle bemærkninger om hans grundlæggende indstilling til disse "politiske" problemer. Luther var ingen drømmer, men et menneske med begge ben på jorden. Derfor vidste han, at vores jord bebos af mennesker og ikke af engle eller helgener: men syndige mennesker kan ikke regeres med evangeliet, de må regeres med loven, det vil sige: med belønning og straf!
    15 Ohne Gesetz würde die Welt in Chaos versinken, da ein Krieg aller gegen alle die notwendige Folge davon sein würde. Es muss also eine "Obrigkeit" geben, die das Gesetz handhabt; und dazu muss sie nicht nur einen Federhalter, sondern auch ein Schwert in ihrer Hand haben und es gegebenen Falls führen. Die Obrigkeit ist also sozusagen Gottes "Amtswalter", um die Guten zu schützen und die Bösen zu bestrafen, um Gerechtigkeit und Frieden nach innen und nach aussen so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Uden lov ville verden synke med i kaos, eftersom alles krig mod alle nødvendigvis ville blive følgen deraf. Der må altså findes en "øvrighed", som håndhæver loven; og dertil må den ikke kun have et penneskaft i hånden, den må også have et sværd og den må bruge det i påkommende tilfælde. Øvrigheden er altså så at sige Guds "embedsforvalter", for at beskytte de gode og straffe de onde, for så godt som muligt at opretholde retfærdighed og fred indadtil og udadtil. 
    16 In der göttlichen Betreuung mit diesen Aufgaben liegt ihre Autorität; aber nur wenn sie sich bei der Ausübung ihres verantwortungsvollen Amtes an den göttlichen Willen gebunden weiss und gegenüber den "Unteren" nicht in Willkür, sondern in väterlicher Gesinnung waltet, erfüllt sie die Funktionen einer "Obrigkeit" recht. Obrigkeitliches Herrenmenschentum mit Terror und Gewaltpolitik ist daher nach Luther eine ebensolche Unmöglichkeit wie eine Obrigkeit, die das ihr gegebene Schwert überhaupt nicht gebrauchen will -- weder in Gericht noch Krieg -- d. h. nicht imstande ist, die äussere Ordnung zu wahren.  I det forhold, at det er Gud, der har betroet øvrigheden denne opgave, ligger dens autoritet, men kun når den under udøvelse af dens ansvarsfulde embede véd sig bundet til den guddommelige vilje og overfor sine undersåtter gebærder sig, ikke vilkårligt, men med en faderlig indstilling, opfylder den sin funktion som "øvrighed" retmæssigt. Øvrighedens herremenneskeopførsel med terror og magtpolitik er derfor ifølge Luther en lige så stor umulighed som en øvrighed, der overhovedet ikke vil bruge det sværd, der er givet den -- hverken til dom eller i krig -- det vil sige, som ikke er i stand til at beskytte den ydre orden. 
    17 Daher muss man darum beten und dafür arbeiten, dass Personen die obrigkeitlichen Posten innehaben, die sich innerlich an Gottes Willen gebunden wissen; bei ihnen darf man am ehesten Damit rechnen, dass sie ihr Amt führen in ständigen Bewusstsein ihrer Verantwortung vor Gott und gegenüber ihren Mitmenschen; dass sie in allen Dingen nach Recht und Billigkeit verfahren und sich nicht allein nach toten Buchstaben richten; dass sie sich nicht durch menschliche Eitelkeit oder aus irdischer Ruhmsucht zu Entschlüssen verleiten lassen, die ihr Volk ins Unglück stürzen. Einen "totalen" Staat jedoch gibt es für Luther überhaupt nicht. Aller Regierungsgewalt ist eine deutliche Grenze gezogen; nämlich über die Seelen und über die Gewissen hat keine irdische Obrigkeit Macht zu regieren; diese müssen sich allein von Gottes Wort bestimmen lassen.  Derfor må man bede om og arbejde for, at det bliver personer, der véd sig inderligt forbundet med Guds vilje, der kommer til at beklæde de øvrighedsmæssige poster; hos dem kan må snarest regne med, at de udøver deres embedsgerning i stadig bevidsthed om deres ansvar overfor Gud og overfor deres medmennesker; at de i alle ting går frem efter ret og rimelighed og ikke alene retter sig efter døde bogstaver; at de ikke af menneskelig forfængelighed eller verdslig æresyge lader sig forlede til nogen beslutninger, der kan styrte deres folk i ulykke. En "total" stat findes slet ikke for Luther. For al regeringsmagt er der trukket en tydelig grænse; for over sjælene og over samvittighederne har ingen jordisk øvrighed magt til at herske; disse må alene lade sig bestemme af Guds ord. 
    18 Aus solcher Anschauung von der "Oberkeit" ergeben sich von selbst bestimmte Folgerungen für die "Unterkeit". Und man stoplere nicht über diese Ausdrücke: auch in einer Demokratie gibt es "Obergeordnete" und "Untergeordnete", nämlich solche, die dazu da sind, die Gesetze mit Autorität zu handhaben, und daher Anspruch auf Gehorsam haben und solche, die gehorchen müssen. Wie keine obrigkeitlose Gemeinschaft auf Erden möglich ist -- an so etwas glauben nur Schwärmer! --, so ist auch keine Gemeinschaft möglich, wenn niemand sich nach den Gesetzen richten und jeder die Lage nach seiner Willkür gestalten will! Ud fra en sådan anskuelse om "øvrigheden" fremgår af sig selv bestemte konsekvenser for "nedreheden". Og man skal ikke snuble over disse udtryk: også i et demokrati er der "overordnede" og "underordnede", nemlig de, der er indsat for at håndhæve lovene med autoritet, og derfor har krav på lydighed, og de, der må adlyde. Ligesom det ikke er muligt at have et fællesskab på jorden uden øvrighed -- det er kun sværmerne, der tror på det! -- således er det heller ikke muligt at have et fællesskab, hvor ingen retter sig efter lovene og enhver vil dreje situationen, som han synes for godt. 
    19 Aus diesem Grunde meint Luther, müssen sich die Menschen dem Zwange des Gesetzes fügen und haben kein Recht zu Aufruhr und Empörung. Aber auch diese Unterordnungspflicht hat eine deutliche Grenze: verlangen die "Oberen" etwas, was klar wider Gottes Willen ist, darf nicht gehorcht werden; ja Luther geht sogar so weit, dass er das Recht zur Kriegsdienstverweigerung aufstellt für diejenigen, die fest von dem Unrecht des betreffenden Krieges überzeugt sind (n19). Man male sich einmal aus, welche handgreiflich aktuelle Bedeutung diese Ratschlage Luthers in den vergangenen Jahren hätten gewinnen können, wenn man sich nur danach gerichtet hätte, und höre endlich damit auf, Luther mit reaktionären Anschauungen anderer von "Gottesgnadentum und Untertanengehorsam" zu belasten oder gar dafür verantwortlich zu machen! Af den grund, mener Luther, må menneskene indordne sig under lovens tvang, og de har ingen ret til oprør og modstand. Men også denne underordnelsespligt har en tydelig grænse: hvis de "overordnede" forlanger noget, der klart går imod Guds vilje, så skal de ikke adlydes; ja, Luther går endog så vidt, at han opstiller en ret til at nægte krigstjeneste for dem, som er fast overbevist om den pågældende krigs uretmæssighed. Man kan jo prøve at forestille sig, hvilken håndgribelig aktuel betydning dette råd fra Luthers side ville have kunnet få i de foregående år, hvis man blot havde rettet sig efter det, og i hvert fald må man ophøre med at belaste Luther med andres reaktionære anskuelser om "herredømme af Guds nåde" og "lydighed for undersåtter", og også med ligefrem at gøre ham ansvarlig for det. 
    20 Allerdings ist Luther kein "Revolutionär" im üblichen Sinne des Wortes gewesen; er gibt den "Untertanen" nur das Recht, zu einem leidenden Widerstand gegen die Obrigkeit, selbst wenn diese sich anmasst, auch in Sachen des Glaubens regieren zu wollen -- andernfalls die calvinistischen Reformierten, die in solchem Falle den Weg der offenen Revolution mit Kampf und Totschlag für recht und billig hielten. Das kann man bedauern und behaupten, damit hätte Luther seinem Volk dem Weg zur politischen Freiheit verbaut. Das kann man aber auch anders beurteilen und sagen: einerseits ist passiver Widerstand für den Schwachen gegenüber dem Starken oft eine viel wirksamere Waffe als aktiver Widerstand; und andererseits führen die Methoden einer Revolution fast immer dahin, dass diejenigen, die erst Unrecht litten, gar bald zu solchen werden, die Unrecht tun.  Ganske vist var Luther ikke "revolutionær" i den sædvanlige betydning af ordet; han giver kun de "underordnede" ret til en lidende modstand mod øvrigheden, selv når denne anmasser sig til også at ville regere i sager om troen -- og det er anderledes end de kalvinistiske reformerede, der i et sådant tilfælde regnede det for ret og rimeligt at slå ind på vejen mod åben revolution med kamp og drab. Det kan man beklage, og man kan også hævde, at Luther dermed havde spærret vejen for sit folk til politisk frihed. Men det kan man også bedømme anderledes og sige: På den ene side er passiv modstand for den svage ofte et meget mere virksomt middel end aktiv modstand; og på den anden side fører metoderne med revolution næsten altid til, at de, som i første omgang led uret, ganske hurtigt bliver til nogen, der øver uret. 
    21 Vielleicht war Luther auch in diesem Punkt viel mehr Wirklichkeitsmensch und viel freier von Utopien als diejenigen, die ihn gerade hier schelten und abschütteln zu müssen glauben. Jedenfalls stellt selbs ein Thomas Mann, der den "konservativen Revolutionär" Luther ablehnt, fest: "Luther stellte nicht nur die Kirche wieder her; er rettete das Christentum. Luthers Revolution konservierte das Christentum". Und mit solchen Urteil wollen wir uns gern zufrieden geben. 
    Hauptpastor Görnandt.
    Måske var Luther også på dette punkt meget mere virkelighedsnær og meget mere fri for utopier end dem, der mener, at de netop her må skælde ham ud og ryste ham af sig. I hvert fald fastslår selv en Thomas Mann, der afviser den "konservative revolutionære" Luther: "Luther genoprettede ikke blot kirken; han reddede kristendommen. Luthers revolution konserverede kristendommen". Og med en sådan bedømmelse vil vi gerne give os tilfreds. 
    Sognepræst Görnandt. 
    22 Was ich in Danzig sah ...
           Die "Deutsche Nachrichten" brachten for einiger Zeit einen Artikel Kurt Viewegs "Was ich im Danzig sah". (31/1946#50)Wir haben hierzu zwei Eingesandt erhalten. 
           Wir sind Danziger und möchten zu oben angebenem Artikel Stellung nehmen. Das von Ihnen bezeichnete "Pharmakologische Institut" ist das Anatomische und Hygeinischen Institut der Medizinischen Akademie in Danzig. Wir möchten hinzufügen, dass das Institut in der Delbrückallee, Ecke Hindenburgallee gelegen hat. Lediglich die Strassenbahnhaltestelle hiess Halbe Allee. 
    23      Uns ist von Freundinnen bekannt, die dort als med.-tech. Assistentinnen tätig ware, dass dort Leichen zu medizinichen Versuchszwecken seziert wurden. Sezierungen dürften nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt bekannt sein. 
           Durch dieses Institut sind Tausende von Studenten und Studentinnen gegangen. Unser Weg hat uns täglich daran vorbeigeführt, und es wäre sicher nicht zu verheimlichen gewesen, wenn SS-Männer dort ein- und ausgegangen wären. Ferner ist anzunehmen, dass in einer Seifenfabrik viele Arbeiter hätten beschäftigt werden müssen, und dadurch in einer Stadt wie Danzig die Geheimhaltung nicht ganz möglich gewesen wäre. 
    24       In einem Anatomischen- und Hygienischen Institut Abhandlungen von Gelehrten zu finden, wie die von Ihnen angegebenen, is wohl selbstverständlich. Wenn die Leichen, wie von Ihnen angegeben, bereist seziert oder "verarbeitet" waren, woran haben Sie da festgestellt, dass es Polen waren?
         Er dürften in der ganzen Welt medizinische Versuche an Leichen gemacht werden, ohne dass man daran etwas Sadistisches oder Grausames findet. 
    25       Polnische Behörden hätten durch Verhöre festgestellt, dass solche Versuche auch an lebenden Menschen unternommen wurden. Dabei haben Sie vergessen zuwähnen, um was für Versuche es sich dabei gehandelt hat, denn aus lebenden Menschen Seife herzustellen, ohne dass davon auch nur ein Wort an die Öffentlichkeit dring, wäre wohl nicht ganz möglich. 
            Geräte, wie sie Ihre Aufnahmen zeigen, in einem Anatomischen Institut vorzufinden, dürfte wohl nicht schwer fallen. 
    26       Propaganda muss sein, das wissen wir genau. Aber sie muss so sein, dass nicht jeder auch nur etwas denkende Mensch in Lügengebäude entdeckt und es mit wenigen Dementis zerstören kann. 
    Liesa Schley und Christel Pokriefka, 
    Aalborg -- Ost Lager II. 
    27 Sehr geehrter Herr Jochen Spatz!
        In Ihrer Zeitung sah ich Bilder aus dem sogenannten Pharmakologischen Institut in Danzig. Das ist nun ein Irrtum. Das ist das anatomische Institut der Universität Danzig. In den Bottichen wurden die Leichen für wissenschaftliche Zwecke entgiftet und für Demonstrationszwecke wurden sie gekocht, sodass man das Skelett schadlos erhalten kann, wie es in jedem anatomischen Institut der Welt gemacht wird, sei es in New York, Warschau, Moskau, London oder Berlin. Die Nummern bezeichnen nur die Präparatsstücke, um Verwechslungen zu vermeiden. Der Direktor Prof. Dr. Spanner ist Anti-Nazist und hätte sich zu derartigen Verbrechen gar nicht hergegeben. Es muss sich hier um einen journalistischen oder propagandistischen Irrtum handeln. 
    28 Ich persönlich kenne das Institut von einer Führung meines Freundes her, der derzeitig in Danzug die ärzliche Vorprüfung abgelegt hatte, und habe daher mit Sicherheit diese Bilder wiedererkannt und sie werden auch von jedem bestätigt, der einmal im Anatomischen Institut als Student die Leichen für Studienzwecke präpariert hat, um einmal das nötige Rüstzeug zu bekommen, das für den ärztlichen Beruf in Danzig und in aller Welt notwendig ist. 
          Um den Deutschen Verbrechen nachzuweisen, hat man es wahrscheinlich nicht nötig, mit derartigen plumpen Lügen aufzufahren, denn diese fördern bestimmt nicht die Glaubwürdigkeit Ihrer Zeitung. 
    Georg Drossel,
    Aalborg. 
    29      Kurt Vieweg hat nicht ein einer "Seifenfabrik" mit vielen Arbeitern, auch nicht von Versuchen, "aus lebenden Menschen Seife herzustellen", beerichtet. In seinem Artikel hiess es: "Ich hatte Gelegenheit, eine Versuchsstation der SS  ... zu besichtigen. In dieser Station ... wurden mit den Leichen Tausender von der Gestapo hingerichteter Polen Seifenfabrikation unternommen". (31/1946#54)
    30      Nazistische Versuche, Seife aus Leichen zu gewinnen, wurden während des Nürnberger Prozesses mehrfach erwähnt. Auch das Urteil hat solche Versuche für erwiesen angesehen und sie im Zusammenhang mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Vergasung von Millionen, der Entfernung der Goldplomben aus dem Mund der Ermordeten, der industriellen Auswertung des Frauenhaares usw. angeführt. Das stenographische Protokoll der gesamten Verhandlungen in Nürnberg, das viele Bände umfassen wird, ist jedoch noch nicht zugänglich. Wir stützen deswegen die folgende Darstellung auf eine polnische Veröffentlichung, die sich mit den Danziger Experimenten befasst. Ihr Verfasser ist Stanislaw Strabski; ihr Titel lautet "Mydo z ludskiego tusczu", Wydawnictwo Zachodniej Agencji Prasowei, Posen 1946. 
    31         Es handelt sich, wie in den beiden Eingesandt mit Recht angeführt wird, um das frühere anatomische und hygienische Institut Eck Delbrück-Allée und Adolf Hitlers Strasse (jetzt Marschal Rokossowski Allée). 
           In dem einen, der Anatomie gewidmeten Flügel hat man den Präparationssaal vorgefunden. Er enthielt drei festverschlossens Behälter. Zwei enthielten männliche, der dritte weibliche Leichen. Bei einer Reihe von Leichen fehlten die Köpfe. Es handelte sich offenbar un hingerichtete Menschen. Im ersten Stock der Anatomie fand man 10 geschlossene und zwei offene Behälter mit Leichen. Im zweiten Stock traf man 8 nur teilweise fertiggestellte Behälter für Leichen. Säcke mig Zement sowie Werkzeug lagenneben den unfertigen Behältern. Es bestand also offenbar die Absicht, das Leichenmagazin auszuweiten.
    32       Hinter dem Hauptgebäude lag ein neues einstöckiges Gebäude aus Ziegelsteinen. Dieses Gebäude enthielt drei Räume. Im ersten Raum fand man zwei Wannen für Leichen sowie einen Kessel zum Auskochen, der mit Hochdruck (5 Atmosphären) arbeitete. Im Kessel fand man Knochenreste. Im zweiten Raum standen 2 viereckige Kessel, die Leichen und Sodalauge enthielten. Auf Tischen standen viereckige Schalen mit nicht völlig fertigen Seifenprodukten. Unter einem Tisch stand eine Kiste mit grossen Stücken Menschenhaut, wobei es sich entweder om ganze Rücken- oder ganze Bruststücke handelte. Diese Stücke enthielten teilweise Tätowierungen mit polnischen Aufschriften u. a., was darauf schliessen lässt, dass es sich um Leichen von Polen gehandelt hat. 
    33 In einem Behälter fand sich kaustische Soda, wie sie zur Seifenfabrikation gebraucht wird. Im dritten Raum stand ein Ofen, in dem man Reste verbrannter Menschenknochen angetroffen hat. Dort war auch ein Lager mit menschlichen Knochen. Es fanden sich dort weiterhin Rezepte für Seifenfabrikation, die auf Institutspapier geschrieben waren. Andere Rezepte, die nach Zeugenaussagen an den Wänden angebracht gewesen sein sollen, wurden nicht vorgefunden. 
          Zwei Zeugen wurden vernommen. 
    34      Die erste Zeuge Opienski war Laborant im Physiologischen Institut und kam in dieser Eigenschaft häufig in die Anatomie. Er zeigte zwei Stücke fertige Seife, die er im Besitz hatte und die nach seiner Aussage von den Experimenten stammten. Leiter des Anatomischen Instituts war nach seiner Aussage Professor Spanner. Sein Stellvertreter war Dr. Wolmann, ein SS Offizier. Die Leichen seien von dem Laboranten von Bergen in den Danziger Gefängnissen,im Lager Stutthof, in einem Irrenhaus in Kocborow sowie von anderen Plätzen geholt worden. 30 hingerichtete Polen wurden z. B. von Bromberg geholt. Opienski gab den Zeugen Mazur an, der Mitarbeiter gewesen sei.
    35      Der zweite Zeuge war dieser Mazur, der Laborant war; er wurde verhaftet und vernommen. Er gab zu, bei den Seifenexperimenten mitgewirkt zu haben. Er gab an, die Versuche, die von Bergen geleitet habe, hätten im Februar 1944 begonnen, seien abgebrochen, aber im Herbst 1944 wieder aufgenommen worden. Mazur hat seine Aussagen in Anwesenheit von Vertretern folgender Zeitungen, Presseagenturen usw. wiederholt: Daily Worker, Le Soir, Associatet Press, Time & Tide, News Chronicle, Sunday Times, Trud, United Press, Tass, Krasnaja Zwiezda, Reuter, Britisch Broadcasting Company (BBC), Time. 
    36  Brief an Ilse wegen Kahlbude
          Liebe Ilse!
          Ich habe in den Deutschen Nachrichten Deinen Artikel gelesen (46-30#55). Ich muss ja sehr darüber staunen, was Du so alles schreiben kannst. Ich war ja nicht viel in Kahlbude, aber am Sonntag bin ich doch dort gewesen und haben auch den Leidensweg der Judenfrauen gesehen. Ich konnte es nicht lange ansehen, denn die Menschen fielen vor Hunger um. Oft hätten meine Eltern und ich den leidenden Frauen ein Stück Brot gereicht, aber weil sie sehr stark bewacht wurden und wir nicht mal mit ihnen sprechen durften, war uns leider alles unmöglich, anders hätten wir den Kopf verloren. 
    Brev til Ilse angående Kahlbude 
    Kære Ilse!
          Jeg har læst ein artikel i Deutsche Nachrichten. Og jeg må jo forbavses meget over, at du kan skriver alt sådan noget. Jeg har jo ikke ofte være i Kahlbude, men om søndagen var jeg der dog og har også set jødekvindernes lidelsesvej. Jeg kunne ikke se på det længe, for menneskene faldt om af sult. Ofte havde mine forældre og jeg rakt de lidende kvinder et stykke brød, men fordi de blev så stærkt bevogtede, og vi ikke engang måtte tale med dem, var alt desværre umuligt for os, ellers havde vi mistet hovedet. 
    37  Und auch Dein Vater durfte es nicht tun. Denn Du weisst doch wohl, was Dein Vater war, oder hast Du das schon so schnell vergessen? Dein Vater hätte es bestimt nicht gewagt, eine Frau, die in Sträflingskleidern ging, nach Hause zu bringen und ihr zu essen und andere Kleidung zu geben.  Og heller ikke din far måtte gøre det. For du véd dog vel, hvad din far var, eller har du allerede så hurtigt glemt det? Din far ville bestemt ikke have vovet at bringe en kvinde, der gik i straffefangeklæder med hjem og give hende noget at spise og give hende andre klæder.
    38  Alle Flüchtlinge sind bestimt meiner Meinung und wissen, dass es so etwas nicht gab. Du hast vielleicht gedacht, niemand aus der Heimat hier in Dänemark zu finden, der darauf antworten könnte, was Du geschrieben hast. Warum hast Du das nicht schon früher alles gesagt, als wir noch in der Heimat waren? Ja, nun habe ich aber mit der Zeit schon Menschen kennengelernt, die früher keine Nazis gewesen sein wollen.  Alle flygtninge er bestemt af min overbevisning og véd, at den slags ting ikke kunne foregå. Du har måske tænkt, at ingen fra din hjemegn var at finde her i Danmark, som kunne svare på det, du har skrevet. Hvorfor har du ikke tidligere sagt det altsammen, dengang vi endnu var i hjemstavnen? Ja, men nu har jeg med tiden allerede lært mennesker at kende, som påstår, at de ikke tidligere var nazister. 
    39        Ich bitte, dass meine Antwort in der Zeitung veröffentlicht wird.
    Mit bestem Gruss
    Elisabeth Selke,
    Aalborg, Thistedvejen. (Reaktion: 47-01#60
            Jeg beder om, at mit svar må blive offentliggjort i avisen. Med det bedste hilsener.
    Elisabeth Selke,
    Aalborg. 
    40  Über Preussen und Preussengeist
           Je öfter die D. N. erscheinen, um so mehr sammelt sich der Stoff, der zur Diskussion geneigt ist. Vor allem die letzte Seite birgt manchmal so wunderbare Themen, dass man vor Rührung den Hut abnehmen kann. Ich habe mir einige Fragen herausgegriffen und würde mich freuen, wenn ich Ihre Stellungnahme in der nächsten Nummer finden würde. 
    41        Sehr häufig taucht heute das Wort "Preussengeist" auf. Es gehört zu denen, die heute von unserer Umwelt mit Füssen getrampelt werden. Men sollte es aber erst ein wenig genauer betrachten, bevor man es in den Papierkorb der Vergangenheit wirft. Viele Zeitgenossen meinen, dass dieses Wort verschwinden "muss", wenn ein neues Deutschland erstehen soll, das in den ewigen Völkerbund aufgenommen werden kann. 
    42  Sie meinen, dass sich in diesem Wort nur kriegerische und verderbliche Instinkte verbergen, und dass dieses Wort verschwinden muss, wenn man vor einem neuen Kriege bewahrt bleiben wolle, vor einem dritten Weltkriege, der bestimmt wieder von den verfluchten Preussen angezettelt werden könnte!
    43       O ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam!
           Muss dieses gehasste Wort wirklich aus dem deutschen Duden verschwinden, weil man darin den neuen, starken Wiederaufbau eines Deutschlands erleben könnte? Ich frage mich erstmal, wo denn heute noch ein Deutschland auf der Landkarte zu finden ist.
    44       Meine Herren! Das Wort "Preussengeist" in glechzeitiger Verbindung mit dem Wort "Preussentum" hat doch noch einen tieferen Sinn als den wilden, ungestümen Kriegergeist. Verbergen sich nicht viele deutsche Idealle in diesem Wort? Sind es nicht Ehre, Nationalstolz, Gehorsam, Treue und Pflichtbewusstsein, die darin enthalten sind? Ich möchte aber weder auf Potsdam noch auf Weimar zurückgreifen, sondern nur den preussischen deutschen Geist so beurteilen, wie wir es als Deutsche vermögen. 
    45        Es wird immer wieder darum gestritten, dass deutschere Geist und preussischer Geist zweierlei bedeutet. Mag sein. Aber erschliesst sich nicht aus dem Preussentum das Deutschtum? Ist nicht aus preussischer Wurzelein deutsches Reich aufgewachsen? Deshalb, meine ich, müssen diese beiden Begriffe Preussentum und Deutschtum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sein, ohne jedoch immer wieder hervorzuheben, dass der Geist von Potsdam, der ewige Glechschritt des Kommisstiefels, die Hauptrolle im Preussentum spielt. 
    46  Gewiss trägt das Wort Preussengeist den militärischen Unterton. Aber gibt es denn überhaupt ein Leben ohne einen militärischen Befehlston? Muss man sich nicht überall fügen und "Jawohl" sagen, jedoch ohne mit den Hacken zu knallen und die Hände an die Hosennaht zu legen?
    47        Nun werden Sie mir wieder antworten: In der Demokratie gibt es kein stures "Jawohl", kein eisernes Muss, dort herrscht der freie Volkswille. Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Spatz, ich meine jetzt nicht die politischen Grundpfeiler der Demokratie, sondern das menschliche Leben innerhalb dieser Grenzen. 
    48        Adolf Hirsch lobt das preussische Beamtentum in Hinsicht auf Pünktlichkeit und präzise Arbeit. Er fragt aber, ob man mit diesen sich immer unterordnenden und gehorsamen Beamten einen demokratischen Staat gründen kann. Meint er nicht? Warum?
    49        Sehen Sie, Herr Spatz, die kernechten Deutschen, nicht solche Kerle wie Sie, tragen den Preussengeist seit ihrer Geburt in sich. Er ist ihnen vererbt worden, von den Vätern, denn das deutsche Volk war einmal ein preussisches Volk, nicht nur ein Volk, in dem die Kriegsgedanken gestärkt wurden, nein, auch kulturelle, sowie wissenschaftliche Gebiete sind von den Deutschen erobert worden.
    50  Haben nicht grosse deutsche Männer wie Schiller, Goethe, Kant und wie sie alle heissen mögen, auch den Preussengeist in sich getragen? Oder welchen Geist haben diese Männer gehabt? Vielleicht einen orientalischen? Ist nicht der deutsche Geist mit dem Preussengeist und Preussentum verwandt? Und hier meine ich, muss die Vereinigung von beiden zu finden sein, ohne immer herumzustreiten, dass die Preussen nur Krieger waren. 
    51  Gewiss wird es ja von unersn ehemaligen Gegnern immer wieder versucht werden, den Preussengeist auszumerzen, weil sie nur den geharnischten Siegfried darin erkennen. Den Erfolg, der sich daraus ergibt, möchte ich sehen. Der preussische Geist braucht nicht, wie viele vielleicht meinen, nur von Hassgefühlen, von Mord und Kriegeslust erfüllt sein, nein, diese Instinkte wollen wir ablegen. 
    52  Aber der echte deutsche, preussische Geist, in dem die Ideale schlummern, wird nicht untergehen, es sei denn, dass man ihn mit Macht dazu zwingt. Und doch wird der Preussengeist in den Herzen der deutschen Jugend, soweit sie noch die echte deutsche Jugend ist, weiterleben, solange weiterleben, bis eine neue Zeitenwende das Blatt der Geschichte drehen wird, denn das Eine steht fest, und das können auch Sie, Herr Spatz, getrost glauben: Solange die Erde schon steht, haben Kriegs- und Friedenszeiten miteinander gewechselt und noch niemals ist es einem Herrscher gelungen, ein tausendjähriges Friedensreich aufzubauen. 
    53  Es wird auch nie einem gelingen, auch nicht der Sozialdemokratie, die jetzt das hallende Echo in der Welt gefunden hat. Die Menschen sind nisch noch nie einig gewesen, schon von Adams Zeiten angefangen, und sie werden sich auch nie einig werden. Da werden auch all ihre trostreiche Worte vergebens sein, Herr Spatz ...
    Günther Thomas, 17 Jahre,
    Aalborg, Vestre Allee, Bar. 6 B. 13.
    54      Lieber Günther Thomas. 
           Sie dürfen nicht böse sein, dass wir uns heute damit begnügen, nur den vierten Teil Ihres Briefes abzudrucken. Dieser Teil allein enthält derartig wichtige Fragen, dass die Beantwortung notwendig ist. 
    55        Adolf Hirsch hat in seinem Artikel den Geist von Potsdam verneint. Er will ihn durch den Geist des Humanismus ersetzen. Sie meinen, Preussentum und Deutschtum müssten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sein. Wer dieses Ziel erstrebt und gleichzeitig die Gewaltmethoden des alten Preussen ablehnt, der muss sich von vornherein darüber klar werden, was er unter Preussentum verstehen will. Und da haben Sie in Ihrer Polemik einen Denkfehler begangen. 
    56        Ehre, Nationalstolz, Gehorsam, Treue und Pflichtbewusstsein sind nicht -- wie Sie glauben -- "deutsche" Ideale und spezifische Bestandteile des "Preussentums" oder "Preussengeistes", sondern geistige Werte des gesamten Abenlandes. Sie werden bei allen Kulturvölkern in gleicher Weise verherrlicht, bei Franzosen, Russen, Litauer, Briten, Amerikaner, Dänen, Norwegen, Schweden, Polen, Deutschen, Tschechen, Italienern, Spaniern und so fort. Und überall wird zuzeiten Schindluder mit diesen hehren Begriffen getrieben. 
    57  Sobald sich das Wörtchen "Geist" zur Nationalität gesellt, "Franzosengeist", "Britengeist", "Preussengeist", etc. pp. hat man alle Ursache misstrauisch zu werden, weil sich hinter solchen Schlagworten meist engstirniger Ungeist verbirgt. 
    58       Warum man beim "Preussengeist" immer zuerst an Kriegertum denkt, an Zopf und Schwert und Gamache, vielleicht gar an den Knotenstock? Das ist ür jeden auch nur notdürftig in der Geschichte Bewanderten garnicht schwer zu begreifen. Bedenken Sie doch, wie Preussen entstanden ist: aus der Mark Brandenburg, die ein Hohenzoller vom deutschen Kaiser als Lehen bekam. Dieses Lehen war von adligem Raubgesindel beherrscht (Quitzows, Itzenplitzen, Köckeritzen, Krachts und Lüderitzen). 
    59        Die Hohenzollern haben, um ihre Hausmacht zu sichern, einigen der schlimmsten Schnapphähne das Kreuz gebrochen. Doch mit den meisten "Edlen im Lande" mussten sie Halbpart machen, weil Brandenburg sich nur durch ständige Kriegsbereitschaft am Leben erhalten konnte. Das Land hatte keine Voraussetzunten, sich durch Gewerbe und Handel stark zu wachsen, wie die günstiger gelagerte Umwelt es konnte. 
    60  Es musste Militärmacht sein. Der preussische Staat war nur als Heer möglich, das preussische Heer nur als Staat. Das bedingte die ökonomischen Grundlagen Preussens. 
    61        Die ständige Kriegsbereitschaft war aber nur mit Hilfe der bodenständigen Adels aus dem Volke herauszupressen. Mit seiner Hilfe hat Preussen als Militärstaat nach und nach das deutsche Reicht erobert. Diesem Ziele wurde alles geopfert, was zum Glücke freier Nationen gehört. 
    62        Lessing, Herder und andere grosse Deutsche nannten Preussen nicht ohne Grund "das sklavischte Land in Europa". 
             Der Geschichtsschreiber Mehring bemerkt dazu: " -- -- wenn im Schatten der preussischen Militärdespotie nur die Sklaverei gedeihen konnte, so konnte die preussische Militärdespotie nur in einem Teile von Deutschland entstehen, wo Bildung, Kultur, Wissenschaft und Wohlstand bis auf die letzte Spur verschwunden waren". 
    63        Der märkische Adel zwang die Landesherren, die Unterdrückung und Ausbeutung der Bauern zuzulassen, sonst gab es keine Soldaten. Unter den Kurfürsten aus Hohenzollerngeschlechte hat sich nicht einer dieser Landesväter der Bauern gegen die Junker angenommen. 
    64        Unter Friedrich Wilhelm I, stand Preussen nach seiner Einwohnerschaft an dreizehnteer, nach seinem Flächeninhalt an zehnter, nach seiner Heeresstärkc jedoch an vierter Stelle in Europa. (Frankreich 160.000, Russland 130.000, Österreich 100.000, Preussen 80.000 Soldaten). 
    65        Um diese Heeresstärke zu erhalten, drückte Friedrich Wilhelm I. die Staatseinkünfte auf sieben Millionen Taler hinauf. Sechs Millionen davon gab er für sein Heer aus. 
            Unter seinem Regime kam in Preussen der Ämterverkauf in Schwung wie niemals zuvor. (" -- -- wer das Meiste gibt und am habilsten ist -- -- "). 
    66        In den preussischen Jahrbüchern 1816 schreibt Twesten: " -- -- in Preussen wurde konsequent von den Zeiten des grossen Kurfürsten bis zum Tode Friedrichs des Grossen jede Vermehrung der Staatseinkünfte zur Vergrösserung der Armee verwendet, und die Einkünfte wurden vorzugsweise gesteigert, um die Armee vermehren zu können". 
    67         Die Einkünfte liessen sich aber immer nur durch den Adel steigern, der das Geld aus dem Volke presste, wobei die Adligen selbst sehr gute Geschäfte machten. 
            Nach 1925 gehörten dem preussischen Adell 16,6% des preussischen Bodens ausserhalb Berlins, während der Anteil des adligen Bodenbesitzse im übrigen Deutschland nur 6,5% betrug. (Häbisch: Deutsche Latifundien Königsberg 1929). 
    68        Merken Sie nun, was wir meinen, wenn wir dem "Preussengeist" zu Leibe rücken? Dem Preussengeist der Junkerherrschaft und des häslichen Dreiklassenwahlrechts, bei dem der Geldbeutel, der Besitz über den Anteil der politischen Einflusses der Staatsbürger entschied? 
    69        Sie meinen, die kernechten Deutschen trügen den Preussengeist seit ihrer Geburt in sich? Sie sind ein Eroberer, junger Freund. Der Schreiber dieser Zeilen ist geborner Anhaltiner und erzogener Braunschweiger. Wo soll da der Preussengeist von Geburt aus herkommen? 
            Doch Scherz beiseite.
           Sie meinen sicher "Deutscher", wenn Sie "Preusse" schreiben. Und insoweit haben Sie Recht. 
    70        Vergessen Sie aber nicht, dass Goethe als Sohn der Freien Stadt Frankfurt niemals Preusse gewesen ist. Frankfurt wurde erst 1866 gemeinsam mit Hannover, Schleswig-Holstein, Kurhessen, Hessen-Homburg und Nassau von Preussen mit Gewalt annektiert. 
             Auch Schiller, den zweiten grossen Vertreter des Weimarer Geistes, dürfen Sie nicht zum Preussen machen. Er ist Schwabe, in Marbach (Württemberg) geboren. 
    71        Kant ist zwar Preusse. Aber diese Eigenschaft hat ihn nicht davor behütet, vom preussischen Kulturminister Wöllner in "Acht und Bann" getan zu werden, weil er angeblich "manche Haupt- und Grundlehren der Heiligen Schrift und des Christentums" herabgewürdigt hatte. Zumindest der preussische Kulturminister Wöllner hatte also einiges am "preussischen Geiste" Kants auszusetzen. 
    72       Ich könnte Ihnen mit einer grossen Fülle von Beispielen aus der neueren Geschichte Preussens kommen, wie heute allgemein anerkannte, in Preussen geborne Deutsche zu ihren Lebzeiten mit dem "preussischen Geist" in Konflikt gerieten. Doch ich miss mich darauf beschr¨nken, Sie durch diese wenigen Zeilen zum Denken anzuregen. 
    73       Der von Ihnen anscheinend hochgeschätzte Goethe hat einmal auf eine "patriotische Anzapfung geäussert: "Was heisst denn, sein Vaterland lieben, und was heisst denn, patriotisch wirken?" Wenn ein Dichter lebenslänglich bemüht war, schädliche Vorurteile zu bekämpfen, engstirnige Ansichten zu beseitigen, den Geist seines Volkes aufzuklären, dessen Geschmack zu reinigen und desse Gesinnungs- und Denkweise zu veredeln, was soll er da Besseres tun? 
    74        Sie fragen: "Ist nicht aus preussischer Wurzel ein deutsches Reich aufgewachsen?" 
             Wie man es nimmt. Ich behaupte: Nein! Preussen hat, wie vorstehend geschildert, Deutschland erobert und das österreichische Element aus den Grenzen Deutschlands vertrieben, ob zum Glück oder Unglück Deutschlands, sei hier nicht untersucht. Das deutsche Reich aber in seinen wechselnden Gestalten ist mindestens 600 Jahre älter als Brandenburg-Preussen. Das mag Ihnen vielleicht missfallen. Ich muss mich damit abfinden und mich mit Bismarck trösten, der in seniem Brief an seinen Vertrauten Gerlach über die Preussen sagt: 
    75       "Wir sind eine eitlle Nation, es ist uns schon empfindlich, wenn wir nicht renommieren können -- -- ". 
            Damit will ich zum Schluss kommen. Sie schreiben nun -- fast will mir schreinen, ein wenig triumphierend -- : "Solange die Erde steht, haben Kriegs- und Friedenszeiten miteinander gewechselt .. Es wird auch nie gelingen -- -- ein Friedensreich aufzubauen". 
    76         Da ist unser grosser Landsmann Kant ganz anderer Ansicht als Sie, Günther Thomas. Sobald Sie Gelegenheit haben, sollten Sie sein "Traktat zum ewigen Frieden" lesen. Übrigens glaube ich so wenig wie Sie, dass irgend ein Herrscher ein tausendjähriges Friedensreich aufbauen könnte. Ich verlass mich bei meiner Hoffnung auf Frieden mehr auf den Erfindergeist der Menschen, als auf die Gewalt eines Friedensfürsten. 
    77         Bis zum Jahre 1752 war der Blitzschlag ein völlig unabwendbares Schicksal, duch das Millionen Menschen um Hab, Gut und Leben gebracht wurden. Franklin, der Jahre zuvor davon geredet hatte, man müsse die Blitze zähmen und ableiten, wurde in aller Welt verlacht. Dann eines Tages gelang es ihm, seinen menschenfreundlichen Plan in die Tat umzusetzen. Wieviele Menschen sind seither vom Blitzschlag verschont geblieben. 
    78         Gewiss, es gibt Brandstifter, die scih bemühen, das anzuzünden, was die Geistestat eines Erfinders dem Menschen bewahrte und erhielt. Aber diese Brandstifter werden bestraft. 
    79        Mir deucht, wir haben soeben in Nürnberg den Beginn einer ähnlichen Entwicklung erlebt. Zumindest wollen wir es hoffen und dabei helfen, die Unabwendbarkeit der Kriege anzuheben.
           Das kann man auch als guter Preusse und Deutscher tun. Wenn Sie Ihren Vorschlag "Preussen" und "Deutschland" auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so auffassen, sind wir einig.
    Jochen Spatz. 
    Anmerkungen Noter
    n19  Siehe http://www.martinluther.dk/lyd03.html#52